Urvertrauen

Ist Urvertrauen eine Substanz, die der Säugling in einer bestimmten Menge eingeflößt bekommt und dann für sein Leben zur Verfügung hat?

Immer wieder beklagen Menschen bei mir mangelndes Urvertrauen. Sie können dafür normalerweise gute Belege finden: „Meine Mutter hat mich früh verlassen.“ „Ich bin ein Kind, das nicht beachtet, nur ruhig gestellt wurde.“

Eine gängige Vorstellung ist, dass solche frühen Erfahrungen von Frustration, Überforderung und Verlassenheit im Säuglingsalter dazu führen, dass sich kein grundsätzliches Vertrauen in die Welt oder in andere entwickelt hat und auch nicht entwickeln konnte oder kann. Urvertrauen ist dann etwas wie: „Für mich wird auf der Welt gut gesorgt!“ Fehlendes Urvertrauen: „Die Welt sorgt nicht für mich und ist unsicher.“ Und die Frage an mich lautet: „Kann ich das nachholen, was ich bisher nicht bekommen habe?“

Vielleicht kann man das auch anders verstehen: Was für das Kind angemessen ist, nämlich eine Versorgung durch die Bezugspersonen, die sich gut kümmern und Frustrationen abfedern (was auch bedeutet, angemessene Frustrationen zu ermöglichen), erscheint als Denkweise für den Erwachsenen („Die Welt sorgt gut für mich“) reichlich kindlich, um nicht zu sagen kindisch.

Ich meine, dass das Vertrauen in die Welt mit ihren guten oder riskanten Seiten eher ein Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten ist, mit der sich immer ändernden Wirklichkeit zurecht zu kommen. Es entspricht dem Wissen, dass ich mich gut um mich kümmere (nicht Mama oder ein anderer sich kümmern muss). Es entspricht der Erfahrung, dass mein gutes Kümmern um mich dazu führt, dass es mir besser geht, wenn Schwierigkeiten mich überrollen.

Dabei muss man all das nicht autark machen. Manchmal oder sogar oft ist es notwendig und sinnvoll, sich der Hilfe von Freunden zu vergewissern. Dann bedeutet dieses Vertrauen: „Ich kann mir Hilfe holen, wenn ich welche brauche.“

Das kann man später und lebenslang im Leben lernen. Ausprobieren, erfahren, festigen und sich mehr und mehr auf diese eigene Fähigkeit stützen.

Ist die Welt gut zu mir? Die Welt ist wie sie ist, voll mit freudvollen und manchen schmerzhaften Ereignissen. Ich stelle mich oder bewege mich dazu. Ein geschicktes Bewegungsmuster führt dann vermutlich auch zu der Erfahrung, dass es recht gut ist, in dieser Welt zu leben.