Das Gefühl von Angst kann probeweise ganz anders interpretiert werden. Manche Körperbewegungen scheinen besser zu helfen als andere.
Bei Angsterkrankungen, z.B. bei Panikattacken, wird in der Regel Bewegung als Basisstrategie empfohlen. Dies ist wissenschaftlich gut belegt und funktioniert z.B. bei einer 1/2 h leichter Bewegung am Tag (ein flotter Spaziergang) besser als die Standardmedikation. Der Sport führt über die körperliche Bewegung, den Spass und die fokussierte Achtsamkeit zu einer Reduktion der Grundanspannung im Körper. Das wirkt sich dann auf die Wahrscheinlichkeit aus, eine Angstattacke zu erleiden: je niedriger der Anspannungslevel, desto weniger häufig stellen sich Angstattacken ein.
Nun ist mir aufgefallen, dass Sport, der eher einer Fluchtreaktion (flight) entspricht, z.B. Laufen oder Radfahren, nicht so gut funktioniert wie ein Sport, der einer Kampfsituation (fight) entspricht. Boxen, Holz hacken, Kampfsport, sogar Bogenschießen sind geeignete Möglichkeiten.
Ich vermute einen Zusammenhang mit den Hintergründen von Angststörungen. Die „neurotische“ Angst tritt ja nicht in Situationen auf, in denen man sinnvollerweise Angst hat, also echte Bedrohungssituationen wie bei einem Überfall. Bei Angststörungen hat man die Angst in Situationen, die von den meisten Menschen als ungefährlich betrachtet werden.
Die Angst verdeckt nach meinen Beobachtungen häufig andere Emotionen. So schlage ich meinen Patienten vor, die erlebten Gefühle nicht als Angst, sondern versuchsweise als Wut zu betrachten und regelrecht nach der Wut zu suchen, wenn sie vermeintlich Angst erleben. Dies scheint in 80% der Patienten eine gute Strategie zu sein. In anderen Fällen habe ich Traurigkeit gefunden, sogar Verliebtsein (!) ist schon vorgekommen.
Der Grund dafür ist, dass sich die körperlichen Elemente dieser Emotionen quasi nicht voneinander unterscheiden (manchmal nenne ich sie einfach Adrenalin-Gefühle). Wenn dann eine Emotion auftritt, die entweder ungewollt ist, unbewusst als unpassend oder gefährlich eingestuft wird, oder einfach nicht richtig erkannt wird, wird sie auf bewusster Ebene falsch eingeordnet und interpretiert. Wut wird so als Angst erlebt. Wenn in der Psychotherapiesituation – gelegentlich geschieht das in der Gruppentherapie – eine Panikattacke auftritt, kann man die verborgene auslösende Emotion unmittelbar und sofort erkennen. Damit ist die Panik im Nu aufgelöst, und man kann sich mit der anderen Emotion beschäftigen (was auch nicht immer leicht ist!).
Bei Wut nun ist ein aktiver Umgang damit günstig. Wut baut sich in Kampfsportarten besser ab als mit Ausdauersportarten, das kann man leicht ausprobieren. Dann hat man auch weniger Angst. Man schlägt sich quasi in der fight-or-flight-reaction auf die Fight-Seite. Beides ist aber besser als Erstarrung (freeze and fright)!
Meine Empfehlung also: Bei Angststörungen eine Sportart zu praktizieren, die in irgendeiner Weise eine potentiell aggressive Note hat.