In der Psychotherapie werden Lösungen nicht gefunden sondern erfunden. Therapie ist dann eine Art Kreativworkshop. So kann Abhängigkeit von der Therapie verhindert werden.
Wo ist die Lösung für mein Problem?
Menschen, die zu mir kommen, denken sich eine Lösung für ihre Probleme oft wie eine gegenständliche Sache: Wenn man lange genug sucht, wird man sie schon finden! Die Lösung schlummert irgendwo in den Tiefen des Unbewussten oder gar nur in der Kompetenz des Therapeuten. Der muss damit herausrücken, und schon läuft der Laden wieder.
Mit Lösungen verhält es sich meiner Auffassung nach wie mit dem Lebenssinn: man findet sie nicht, man erfindet sie.
Lösungen sind neue Kreationen
Es geht also um Kreativität. Es geht um die Schaffung von etwas Neuem, bisher nicht da gewesenem. Es geht um die kreative Entwicklung einer neuen Haltung zu einem alten Problem.
Die Crux mit den Therapeuten oder der Therapie ist, dass wir es gewohnt sind, zu einem Experten zu gehen, der eine Lösung parat hat. So ist das z.B. mit dem Anruf beim Handwerker, der genau weiß, wie er die Waschmaschine repariert. Der Experte soll es richten. Er hat die Verantwortung. Beim Arzt ist das auch häufig so: Der Chirurg sollte sein Handwerk verstehen und die Operation nach den Regeln der Kunst durchführen.
Psychotherapeut als Experte für den kreativen Raum
In der Psychotherapie, wie ich sie verstehe, klappt das so aber nicht. Der psychotherapeutische Experte ist kein Experte für Lösungen, sondern für die kreative Entwicklung eines Raumes, in dem Lösungen erfunden werden können. Und sie werden in einer gemeinsamen Arbeit (darf man das dann noch so nennen?) erfunden. Für mich ist das ganz klar: ich habe keine Lösungen, sondern im Kontakt mit dem Patienten oder Klienten wird meine und seine Schöpferkraft angeregt, und es entstehen Ideen. Produziere ich die Ideen? Ist es nicht eher so, dass die Ideen im Kontakt miteinander zu uns kommen? Zumindest das Gefühl bei Einfällen oder Geistesblitzen ist doch, dass wir sie nicht selbst herstellen, sondern dass sie zu uns kommen, eben in uns „einfallen“.
Therapie als Kreativworkhop?
Therapie ist dann manchmal so etwas wie ein Kreativworkshop. Alles andere wäre auch viel zu sehr eine Kampagne zur Herstellung von Abhängigkeit und Machtgefälle. (Klar, wenn man seine Patienten „halten“ will, ist Abhängigkeit eine hilfreiche Sache!) Meine eigene Kreativität lädt das Gegenüber ein, selbst kreative Ideen zu entwickeln. (Fast wie damals, als wir in Kindertagen spielten und immer mehr in kreative Ideen eintauchten, in der ein Einfall auf den anderen folgt).
Auch der Sinn des Lebens kann erfunden werden!
Und der Sinn des Lebens? Kann man sich den denn einfach erfinden?
Meine Antwort darauf hängt ein wenig von der Ebene ab, auf der man sich mit der Frage bewegt. Auf einer Ebene meine ich, dass der Sinn des Lebens darin besteht, da zu sein. Zu leben ist der Sinn des Lebens. Nicht mehr und nicht weniger. Leben und dasein – im berühmten „Hier und Jetzt“ – wird immer als sinnvoll erlebt. Das Denken an das „Dort und Dann“ hingegen, das Verlangen, das Wollen, das Begehren, das Ablehnen usw. sind Wege in die Sinnlosigkeit – auch wenn die Werbung anderes verspricht. Das kann jeder für sich nachprüfen. Wenn ich in einem Fluss schwimme (was für mich einfach wunderbar ist), das Wasser spüre und das Licht sehe, die Gerüche des Flusses wahrnehme, die Kühle – und dann fragt mich jemand, was der Sinn des Lebens sei: es löst Erstaunen oder gar Verwirrung aus. Ich bin jetzt hier, und das ist der Sinn!
Tanz durch das Leben
Auf einer anderen Ebene ist Leben eben ein sehr kreativer Prozess, ein Tanz durch das Leben könnte man sagen. Die Einflüsse sind unüberschaubar, ich treffe Entscheidungen oder gehe einfach mit dem Fluss der Angebote des Lebens, die ich annehme. Der Sinn ist dann eine Ko-Kreation des Lebens gemeinsam mit mir. Und da ich ja auch Teil des Lebens bin und mich nicht vom Leben abtrennen kann, könnte ich auf das „Ko-“ auch verzichten und es einfach eine Kreation – eine Erfindung des Lebens – nennen.