Vor einiger Zeit erzählte eine Freundin, dass es eine Sprache gebe, die ohne Substantive auskommt. Dort spricht man nicht von einem „Baum“ oder „Stein“, sondern sagt: „Es bäumt. Es steint.“
Eine solche Sprache hat interessante Konsequenzen. Sie betont den Prozess und die Einheit des Lebens.
Das „Bäumende“ und das „Steinende“ sind Prozesse. Es ist das, was da gerade geschieht. Natürlich bleibt es nicht so. Dort, wo es jetzt bäumt, modert es schon bald. Da, wo es jetzt steint, sandet es irgendwann. Und die Übergänge passieren gerade. Alles ist im Fluss, im Prozess, im Austausch.
Diese Sprache betont auch die Einheit des Lebens oder allen Seins. Da bäumt das Leben, dort steint es, und hier menscht es. Wenn man sich in diese Sprache hinein fühlt, kann man wahr nehmen (oder geht es nur mir so?), dass alles ein voneinander nicht zu trennender Prozess ist, den ich das „Leben“ nennen möchte. Alles Seiende ist Teil des Lebens, des Ganzen. Trennungen, z.B. „Ich“ und „der Rest der Welt“ werden hier zu Illusionen. Statt „Ich“ kann man sagen, dass sich das Sein auch hier (wie überall) entfaltet. Das Sein ist Eines.
Substantive scheinen Prozesse zu Dingen zu kristallisieren. Sie vermitteln, dass dieser Gegenstand „ist, wie er ist“, nämlich fest gefügt. Wenn man sie benutzt, kann man gar nicht mehr anders als die Welt fest und getrennt von sich zu erleben.
Unter den Konstruktivisten ist diese Aussage eine Banalität. Die sprachwissenschaftlichen Konstruktivisten erklären, dass man die Welt nur durch den Filter der von den Wörten schon festgelegten Konstrukte erkennen kann. Ein Substantiv ist ein solches Konstrukt: Dies ist ein Ding, festgelegt, getrennt von anderen Dingen.
Vielleicht könnte man eine Weile damit experimentieren, auf Substantive zu verzichten?