Was uns in einer Psychotherapie uns selbst verändern lässt, ist nicht die intellektuelle Einsicht, sondern eine schmerzhafte Erkenntnis: Was tue ich mir da an? Will ich das wirklich? Die Veränderung geschieht mit dem gefühlten Leid, und der Verbindung, die wir zu unserem Tun herstellen, das dieses Leid hervorruft. Möglichkeiten, anders mit uns um zu gehen, entstehen dann wie von selbst. Und führen zur Freude.
Gemeinsam mit dem Gefühl da sein
In vielen Gesprächen, die ich führe, erzählen mir die Klienten von ihrem Leiden. Manchmal geht es um Restriktionen, um unveränderlich äußere Umstände, die schmerzhaft sind. Da ist der Krebs oder die kürzliche Trennung. Ich verstehe, dass das Schmerz auslöst. Die Klientin versteht, dass das Schmerz auslöst. Die Linderung kommt durch die Verbindung miteinander zustande, indem wir uns die Welt zusammen ansehen, wie sie gerade ist. Das bedeutet Trost: Nichts wegmachen, was wir fühlen, sondern mit einem Gegenüber damit genau jetzt hier sein. Vielleicht weinen wir zusammen. Und später tritt von alleine, ohne etwas dazu zu tun, Erleichterung ein, und wir freuen uns darüber.
Sich selbst mobben
Oft entdecke ich in den Schilderungen über das erlebt Leid, wie Menschen mit sich umgehen. Ich höre genau hin. In der Sprache wird deutlich, wie jemand sich selbst gegenüber steht und verhält. Da höre ich heraus: „Du bist ja so blöd!“, „Komm, reiß‘ Dich endlich zusammen und höre auf, so herum zu jammern und traurig zu sein.“ Ich höre also die Selbstbeschuldigungen, die Selbstabwertungen, das Mobbing am eigenen Fleisch.
„Wie redest du über dich?“
Wenn ich das sehe, fordere ich den Klienten auf, sich selbst einmal zuzuhören. „Wie redest du mit dir und über dich?“ Es dauert, bis der Klient versteht, worauf ich hinaus will. Denn die Sprache und die darin ausgedrückte Haltung ist so selbstverständlich, dass man einfach nichts erkennen kann. Meist hole ich dann einen alten, sehr streng aussehenden Stuhl herbei, stelle einen kleinen Kinderstuhl daneben und setze mich auf den großen Stuhl. Dann fange ich an, die Sätze, die ich aufgeschnappt habe, dem kleinen Stuhl vorzuhalten. Die Klienten verstehen dann.
Sehen und fühlen
Jetzt kommt es darauf an, hin zu sehen. Will ich wirklich wahr nehmen, dass ich so mit mir spreche? Wer sich dafür entscheidet, kann nicht anders, als die Traurigkeit zu fühlen, die darin liegt. Ich nenne sie eine notwendige Traurigkeit. Sie macht nicht nur auf die Not aufmerksam und ist das angemessene Gefühl, sondern sie ist auch die Voraussetzung zu einem Veränderungsimpuls. „Wenn ich mich damit so traurig mache, dann will ich das nicht.“
Der Schmerz kann zu groß sein, um ihn zu spüren
Häufig wollen die Klienten gar nicht sehen. Weil es weh tut. Weil man sich schämt, dass man so mit sich umgeht. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Dann stelle ich die Frage: „Willst du so mit dir umgehen?“ Das ist eine andere Art zu sagen: „Sieh hin!“. Der Prozess kann Zeit in Anspruch nehmen, denn der Widerstand, den damit verbundenen Schmerz zu spüren, ist groß. Manchmal muss ich erklären, dass der Schmerz notwendig ist, um eine Hinwendung zu ermöglichen. Es ist wie die Hinwendung zu einer Wunde, die besser verheilt, wenn ich mich darum kümmere.
Selbst erkennen: „Das will ich mir nicht antun“
Die Klienten kommen durch Sehen und Spüren zu dem Schluss: „Das will ich mir nicht antun!“. Oft merken die Klienten rasch, wenn Sie in der Sitzung wieder und wieder das alte Muster aufgreifen. Meist lachen wir dann darüber. Das fällt mir leicht, denn ich sehe das Muster bei mir selbst und muss auch immer wieder darüber schmunzeln, wie hartnäckig es ist. Und schließlich gilt: Ohne Humor ist jede Therapie witzlos. Ganz besonders ohne das Lachen über sich selbst.
Die Beobachtung ändert den Alltag
Klar, die Arbeit kommt dann noch. Im Alltag gibt es so viele Einladungen, sich wie gewohnt zu verhalten. Die neue Sicht muss sich ganz langsam verankern. Das geschieht durch die Beobachtung im Alltag verbunden mit der wiederkehrenden Frage: „Will ich mir das jetzt selbst so antun?“ Weil das dann klar ist, braucht es gar nichts weiter, damit sich die Veränderung einstellt. Es ist dann wie mit Durst: Wenn ich Durst bemerke, muss mir auch keiner die Hand führen, damit ich etwas trinke. Ich greife dann schon selbst zum Glas.
Woher das Muster stammt: Sinn der Biografiearbeit
(Oder: Ist es in der Psychotherapie notwendig, sich mit seiner Vergangenheit zu beschäftigen?)
Manchmal fragen Klienten, warum sie das tun. Wie es zu dem Muster kommt. Die Frage ist interessant, und die Antwort auf die Frage macht für mich Sinn, wenn das sich dann entwickelnde Verständnis dazu führt, besser mit sich umzugehen. So sehe ich das bei jeder biografischen Arbeit. Sie ist sinnvoll, wenn sie zu mehr Verständnis und Liebe für sich selbst führt. Sonst geht keine positive verändernde Kraft daraus hervor.
Es ist nicht schwer zu erkennen, dass sich in diesen Mustern alte Beziehungen widerspiegeln, insbesondere das Verhalten der Eltern uns als Kindern gegenüber. Wir haben das dann übernommen, um die Welt auch innen zu verstehen, damit sie erklärbar wird.