Trotz

Definition von Trotz

Trotz: Im Kampf um die eigene Autonomie und gefühlte innere Stärke wieder besseren Wissens und unter Inkaufnahme negativer Konsequenzen für sich selbst etwas tun oder nicht tun (meine eigene Definition)

Beispiel: Wir sind wegen einer Nichtigkeit in Streit geraten, und bin nachts im Bett sauer auf meine Partnerin. Und obwohl ich weiß, dass es richtig wäre, die Hand zur Versöhnung auszustrecken und Verantwortung für meine eigenen ungerechten Vorwürfe zu übernehmen bleibe ich bockig neben ihr liegen und achte auf körperlichen Abstand. Das tut mir zwar selbst nicht gut. Und bringt mich um den gewünschten Hautkontakt. Aber ich fühle mich gar nicht danach, „klein beizugeben“, sondern beharre auf meiner Haltung, um mich stabil zu fühlen.

Der Nachteil liegt auf der Hand: schöne und gewünschte Formen von Begegnung werden damit unmöglich.

Bestrafung

Es kommt noch ein Element hinzu: Die Bestrafung des Gegenübers ist in der Regel Teil des Prozesses. Diese Bestrafung ist vielleicht nur fantasiert oder gedacht. Im Kontakt mit Partnern und anderen konkreten Menschen können wir aber wegen der sozialen Fähigkeiten aller Menschen meist davon ausgehen, dass auch sie leiden, wenn wir trotzig sind. Denn auch meiner Partnerin fehlt etwas, wenn ich mich trotzig verweigere – so zumindest meine gemeine Hoffnung.

Sogar wenn man übergeordneten Institutionen gegenüber trotzig ist, gibt es manchmal die Fantasie der Bestrafung: „Was geht dem Betrieb, dem Staat an mir verloren! Das haben sie nun davon.“ Wirkt ziemlich kindisch, wenn man es so aufschreibt, oder? Wir sind aber in unserem Inneren so daran gewohnt und alles geschieht so rasch und unbewusst, dass wir nicht einmal merken, wie kindisch es ist.

Das tut mir selbst weh

Wer leidet am meisten unter Trotz? Wohl in der Regel der, der trotzig ist. Er behält zwar den Anschein von Stärke, aber muss auf vieles verzichten. Trotz führt zu massiver Anspannung, zu emotionalem Aufruhr, Stress und allen möglichen schlechten Zuständen.

Das ist wichtig zu sehen und anzuerkennen. Dann kann ich etwas ändern. Denn womöglich will ich mich nicht selbst verletzen.

Auch der Wunsch, der andere möge wegen meines trotzigen Verhaltens leiden („Ist doch meine Mutter selbst schuld, dass ich an den Fingern friere, hätte sie mir eben besser Handschuhe angezogen, die blöde Kuh!“) führt zu eigenem Leiden. Wenn man nämlich zu jemanden in Beziehung steht, jemanden mag und liebt, kann man unmöglich gemein sein und bestrafen, ohne selbst Schmerzen zu haben. Man trägt ja den anderen bei sich im Herzen.

Und hierbei geht es nicht um Moral! Es geht um Erkennen und Bewusstheit. Mit Moral gibt es kein Vorankommen. Mit Bewusstheit schon. Es ist also nicht so, dass Trotz verwerflich und unmoralisch ist, weswegen man ihn verstecken sollte.

Der Weg aus dem Trotz heraus

Sondern mit der Einsicht, selbst unter dem Trotz am meisten zu leiden, kann ein Impuls entstehen, den Trotz zu beenden. Wenn man darauf verzichten mag, sich selbst zu verletzen. Und Wege sucht und Kompetenzen entwickelt, mit den Gefühlen von Wut konstruktiver, ich möchte auch sagen, erwachsener, umzugehen.

Es ist dabei wichtig, andere Formen von Wut vom Trotz abzugrenzen. Wenn mir jemand das Rad klaut, kann ich sehr wütend sein, aber natürlich nicht unbedingt trotzig. Auch in einem Streit mit meiner Partnerin kann ich wütend sein, muss aber nicht auf Trotz zurückgreifen. Der Ärger kann sehr konstruktiv eingesetzt werden, seine Positionen in eine Balance mit den Positionen des Gegenübers zu bringen.

Gefühle als Hinweisgeber

Es lohnt sich, ein Gefühl von Trotz und auch das Motiv der Bestrafung wahr zu nehmen und zu erkennen. Das muss man vielleicht 100 mal tun: erkennen, wahrnehmen, verstehen. Und 100 mal Wege suchen, die einen konstruktiven Umgang mit der Wut in einer Auseinandersetzung ermöglichen. Dabei wird man im Verlauf mehr und mehr Kompetenzen entwickeln.

Trotz wird vermutlich noch für lange Zeit oder den Rest des Lebens ein mögliches Muster sein, denn es ist sehr alt, sehr früh im Leben erworben (geboren werden wir damit wohl nicht) und dann 10000 mal geübt und praktiziert.

Im und durch den Entwicklungsprozess mit Bewusstheit und Wahrnehmung kann aber auch immer eine andere Entscheidung getroffen werden, mit den Gefühlen umzugehen. Dann wird der rasch anklingende Trotz zu einer Ausholbewegung, die einer anderen Bewegungsrichtung vorausgeht. Ein alter Bekannter, der mal wieder an der Tür klopft, den man aber nicht umfangreich bewirten und pflegen muss.