Wie soll das klappen? Kann man unerwünschte Gefühle haben, und das nicht als Problem erleben? Ein Dialog
Ein negatives Gefühl
„Ich bin so traurig.“
„Schön, das ist gar kein Problem. Du bist lebendig. Du fühlst.“
„Aber es gefällt mir nicht.“
„Jetzt hast Du ein Problem!“
„Aber Traurigkeit kann doch niemandem gefallen!“
„Muss sie Dir gefallen? Oder muss sie Dir nicht gefallen?“
„Ich mag sie eben einfach nicht!“
„Also weiter im Problem!“
„Du machst Dich über mich lustig!“
„Ganz und gar nicht! Ich stelle einfach nur fest, wie Du das Problem machst: Du willst etwas nicht, was aber so da ist.“
Traurigkeit wird von vielen als ein negatives Gefühl betrachtet, und dann so auch erlebt. Das Erleben ist negativ, weil das Gefühl als negativ, als unerwünscht, bewertet wird. Andere negative Gefühle sind Wut, Ekel und vieles mehr. Jeder hat seine ganz eigene lange Liste von Gefühlen, die er oder sie lieber nicht haben mag. Dafür gibt es dann auch eine Liste positiver Gefühle: Freude, Liebe, Geborgenheit und tausend mehr.
Gefühle sind nicht das Problem
Gefühle sind zunächst gar nicht das Problem. Sie sind einfach da. Wir sind Menschen und fühlen. Gefühle sind in der Hinsicht wie Körperteile, sagen wir, wie die Finger einer Hand. Die sind nun mal an meiner Hand. Ich bin eben ein Mensch.
„Den kleinen Finger mag ich nicht. Warum habe ich nicht nur 4 Finger? Dann täte der 5. Finger nicht weh, wenn ich Rheuma bekomme! Weg damit.“
Das klingt ziemlich schräg, nicht wahr? Oder so:
„Warum habe ich nicht 3 Hände, das wäre doch sooooo praktisch. Wie oft fehlt mir die 3. Hand, beim Arbeiten, beim Anziehen. Sogar Sex wäre mit der 3. Hand so viel besser!“
Klingt kaum weniger schräg, oder?
Das etwa beklagen wir, wenn wir über unsere Gefühle reden, und von dem einen gerne mehr und von dem anderen gerne weniger hätten. Wenn wir es genau betrachten, ist es absurd.
Gefühle kommen und gehen
„Kannst Du mir helfen? Ich erlebe so viel Traurigkeit und kann mich so wenig freuen.“
„Kannst Du mir helfen? Ich habe 5 Finger und 2 Hände.“
„Du willst sagen, dass das normal sei, die Traurigkeit zu haben? Mein Nachbar ist viel weniger traurig!“
„Ob es normal ist, weiß ich nicht. Dazu kann ich nichts sagen. Ich weiß nur, dass Traurigkeit kommt und geht. Sie bleibt nur, wenn Du sie nicht haben magst. Dann erhältst Du sie nämlich mit genau der Methode, die Du anwendest, um sie los zu werden, vor allem mit dem vielen Denken daran. Du willst sie loswerden, beschäftigst Dich mit ihr und gibst ihr so genau die Energie, die sie braucht, um sich nicht zu verändern. „
„Wie soll das passieren?“
„Es ist wie mit einer Kratzwunde. Wenn Du sie immer weiter kratzt, wird sie sich nicht verändern. Lässt Du sie in Frieden, heilt sie. So ist das mit Gefühlen, nur passiert hier die „Heilung“ viel schneller. Gefühle, die einfach so da sein dürfen, halten nur sehr kurze Zeit an. Einige Sekunden, vielleicht noch Minuten. Jedes Gefühl, dass sich nach 15 min nicht geändert hat, muss durch etwas in Deinem Denken, in Deinem Wollen oder Nicht-Wollen, aufrecht erhalten werden. Anders geht es nicht.
Schau Dir kleine Kinder an. Wenn sie ein Gefühl haben, ändert es sich rasch wieder. Das ganze Leben ist ein wilder Ritt durch Freude, Traurigkeit, Schmerz, Geborgenheit usw. Solange sie nicht gelernt haben, die Gefühle zu manipulieren, zu verstecken oder einzusetzen, um andere zu beeinflussen, erleben kleine Kinder einen natürlichen Wechsel an Gefühlen. Aber auch Erwachsene kennen das. Oft bei Trauer. Da kommt ein Schwung Traurigkeit. Dann geht er wieder, und etwas anderes breitet sich aus, vielleicht Liebe oder Erleichterung oder Loslassen. Dann kommt wieder Traurigkeit. Ohne ein Festhalten, einen Zugriff auf die Traurigkeit, können wir ihr beim Fließen zusehen.“
„Und wie entsteht nun das Problem mit den Gefühlen?“
„Das Problem mit den Gefühlen entsteht nur, wenn wir sie nicht fließen lassen, nicht da sein lassen, so wie sie gerade unserer Natur nach entstehen.“
„Aber wie sollte ich Traurigkeit, die ich nicht haben will, einfach da sein lassen?“
„Wenn Du das nächste Mal traurig bist, kannst Du das einmal erforschen. Dann bemerkst Du einfach: Oh, ich bin traurig. Und machst nichts weiter damit. Dann bemerkst Du vielleicht außerdem: Oh, ich will die Traurigkeit nicht haben. Da ist eine Abneigung gegen die Traurigkeit. Dann lässt Du Dich eben eine Abneigung spüren. Und machst damit nichts weiter. Wenn Du nichts weiter damit machst, wird es sich ändern. So ist das immer. Sozusagen unvermeidlich. Und das Fühlen von was auch immer ist lebendig, sozusagen die Bestätigung, dass Du lebendig bist.“
Dem natürlichen Impuls folgen
„Das ist doch zu blöd: Wenn ich Hunger habe, soll ich einfach sagen: Oh, ich habe Hunger, oh, ich mag aber keinen Hunger!? Das ist selten dämlich.“
„Stimmt, wenn Du Hunger hast: Gehe Deinem natürlichen Impuls nach! Iss etwas! Wenn Dir jemand auf dem Fuss steht: Zieh ihn weg! Wenn Du traurig bist, und Dein natürlicher Impuls ist, zu einem Freund zu gehen, warum denn nicht? Und dann kannst Du weiter beobachten, was mit der Traurigkeit passiert: Sie wird nicht anhalten, wenn Du ihr kein Futter dadurch gibst, dass Du Dich gegen sie in Stellung bringst.“
„Und das soll helfen?“
„Ausprobieren. Ich habe es ausprobiert und erforscht. Das ist das, was ich bisher herausgefunden habe.“
In der Psychotherapie geht es darum, dies zu erforschen und auch zu erproben. Vor allem auch in der Gruppentherapie mit den vielen im Prozess auftretenden Gefühlen kann man diese (Selbster-)Forschung mit viel Humor betreiben.