Muss man das Leben akzeptieren und annehmen, wie so oft zu hören ist?
Jede Woche höre ich es: „Das muss ich dann wohl akzeptieren.“ Oder: „Ich weiß ja, dass ich das annehmen muss.“ Diese Sätze sind begleitet von einem Seufzer und einem Ausdruck, der wahlweise Widerwillen oder Überforderung ausdrückt. Auch in den Gruppen wird es anderen oft hingeschleudert: „Du musst das akzeptieren!“ Sogar in der Psychotherapie wird von „akzeptieren müssen“ gesprochen. Da gibt es z.B. die Acceptance Commitment Therapy (ACT), ein im Prinzip gar nicht so schlechtes System, in dem es um Achtsamkeitsübungen in der Psychotherapie geht.
Akzeptanz scheint das 11. Gebot zu sein
Ich höre mir das an und entgegne: „Nein, du musst überhaupt nichts akzeptieren, auch das nicht! Niemand muss je irgendetwas akzeptieren.“ Dann freue ich mich klammheimlich an der entstandenen Verwirrung, denn die geforderte Akzeptanz scheint mittlerweile in den Stand eines 11. Gebotes gehoben worden zu sein, das man nicht in Frage stellen geschweige denn brechen darf.
Manches ist inakzeptabel
Mir ist völlig klar, dass bestimmte Dinge inakzeptabel sind. Da hören wir von Kriegsszenen, in denen Kinder ausgebombt werden. Ist das akzeptabel? Kann man von jemandem fordern, das zu akzeptieren? Das ist ja völlig absurd, hier Akzeptanz zu fordern.
Dennoch passiert es. Es gibt den Krieg. Kinder sterben. Es ist so. Wir können die Berichte hören und die Bilder sehen.
Wahr(-)nehmen statt akzeptieren
Es geht also um das Sehen, das Wahrnehmen. Ich sage das dann so: „Du musst das nicht akzeptieren. Es reicht, wenn Du es wahr nimmst. Es ist so. Nimm es wahr. Nimm auch wahr, dass es Dir nicht gefällt, wenn auch diese Ablehnung Deiner Wahrnehmung entspricht. Das reicht. Nur wahr nehmen.“
Für meine Gegenüber ist das erleichternd. Ich kann die Entspannung sehen, die hier aufkommt. Denn es ist so anstrengend, diese Akzeptanz produzieren zu wollen. Annahme gelingt aber nicht mit Anstrengung. Annahme gelingt nur ohne Anstrengung, im Lassen. Sie geschieht und wird nicht gemacht. Sie ist wie Ausatmen, das von alleine geschieht, aber anstrengend wird, wenn ich den Atem mit Muskelkraft hinaus presse.
„Ich erlebe eine Akzeptanz, die von alleine geschieht“
Also sage ich: „Nein, man muss das Leben nicht akzeptieren. Man kann das Leben nicht akzeptieren. Akzeptanz geschieht von alleine, im Dasein, im Hinsehen. Oder Akzeptanz geschieht nicht, dann ist es auch gut. Dann sieht man einfach nur hin, wie es eben ist. Wenn man erlebt, dass da Akzeptanz für das Leben ist, Annahme von Symptomen ist, dann sagt man vielleicht: ‚Ich akzeptiere, was ich da habe. Jetzt nehme ich das an.‘ Doch dieser sprachliche Ausdruck ist ungenau. Man müsste sagen: ‚Ich erlebe eine Akzeptanz, die von alleine geschieht, solange ich nichts dagegen unternehme‘.“