„An dem Tag, an dem Du zu reisen aufhörst, wirst Du angekommen sein.“
Japanisches Sprichwort
Wie entsteht Zufriedenheit?
„Ich möchte so gerne woanders leben. Hier kann ich nicht glücklich sein.“
„Ich muss unbedingt etwas anderes arbeiten. Das hie macht mich völlig fertig.“
„Wenn nur meine Frau anders wäre, könnte ich so zufrieden sein.“
Wie entsteht Zufriedenheit? Durch Veränderung der Umstände? Umstände zu verändern entspricht dem Reisen, ohne aber anzukommen. Erst wenn ich aufhöre, nach etwas anderem zu verlangen, kann die Zufriedenheit eintreten.
Ist das aber möglich? Kann ich aufhören, Gesundheit, Liebe, Wertschätzung, Geld, Sonne zu verlangen?
Was wir in der Psychotherapie erforschen
Das ist das, was wir in der Psychotherapie erforschen. Fast alle von uns, die ein psychisches Thema haben und dafür Hilfe suchen, leiden an der Differenz zwischen dem, was sie tatsächlich vorfinden, und dem, was sie gerne hätten.
Tragischerweise führt das Verlangen nach den veränderten Umständen (dazu zählen auch Gefühle! z.B. „ich will keine Angst mehr haben!“) zu einer Abhängigkeit, die genau zu weiteren Schwierigkeiten führt. Eigentlich zu der Schwierigkeit, die überhaupt zum Kontakt mit mir in der Psychotherapie geführt hat. Durch den Wunsch nach etwas macht mich sich vom Erwünschten abhängig. Wer kann frei sein, wenn er sich z.B. einen Partner wünscht? Oder einfach gute Gefühle? Sie werden wie zu Drogen, denen wir nachjagen.
Und diese Abhängigkeit führt zu Verzweiflung, schlechter Stimmung, zu Unzufriedenheit und all den weiteren Problemen der Psyche. Erst wenn ich etwas und jemanden nicht mehr brauche, ich in dem Sinne frei und unabhängig bin, kann sich Entspannung, Freude und Zufriedenheit ausbreiten. Wenn ich z.B. keine Gesundheit „brauche“, keine Wertschätzung von anderen usw.
Kann man mit Krebs zufrieden und glücklich sein?
Klingt seltsam? Sie können sich nicht vorstellen, dass jemand mit Krebs noch zufrieden und glücklich sein kann? Oder dann jemand, der keine Anerkennung bekommt, damit gut leben kann?
Es funktioniert so: Sie haben Krebs. Dann leisten Sie keinen Widerstand, indem sie vom Leben verlangen, es soll anders verlaufen. Sie verlangen nicht vom Fluss, dass er anderswo fließen soll. Er fließt, wie er fließt und wo er fließt. Das ist nicht Ihr Geschäft. Ihr Geschäft ist, vollständig mit dem Fluss zu schwimmen, vollständig mit dem zu sein, was da ist. Eigentlich sind Sie der Fluss, der durch die verschiedenen Landschaften fließt. Ihr Geschäft ist, den natürlichen Impulsen zu folgen. Wie wenn Sie Durst haben: Dann trinken Sie Wasser, dem völlig natürlichen Impuls folgend. Das ist kein Widerstand gegen Durst. Das so zu bezeichnen, wäre ja völlig absurd. Sie können mit dem Krebs auch dem natürlichen Impuls folgen, und sich den notwendigen Untersuchungen und Operationen zu überlassen. Das zu unterlassen, um so zu tun, als hätte man keinen Widerstand gegen die Krankheit, ist ebenso völlig absurd.
Was unterscheidet den natürlichen Impuls vom Widerstand? Der leichte und heitere Fluss, der entsteht! Ich trinke einfach Wasser, und bin dabei völlig im Fluss und einig mit mir. Da entsteht keine Aufgeregtheit, keine Härte, kein Jammern und Klagen.
„Mir fehlt Anerkennung“
Ganz genauso ist es mit fehlender Anerkennung. Wenn Sie nichts anderes verlangen, also z.B. nicht fordern: „Ich will gesehen werden!“, können Sie schlicht sehen, wie es gerade ist. So sind Sie frei und müssen dann nichts tun, nur um gesehen zu werden. Sie müssen sich dafür nicht verstellen und anders geben. Wenn Sie dann so sind, wie Sie eben sind, dann werden Sie gesehen oder Sie werden eben gerade nicht gesehen. Sie treten in Kontakt mit anderen, weil Ihnen danach ist, oder Sie bleiben noch ein Weilchen für sich.
Das Ziel steht der Veränderung im Weg
Wenn Sie etwas unbedingt wollen, wird nicht mehr der Weg das Ziel sein, sondern das Ziel im Weg sein. Ein andere Umschreibung für Unglück und Unzufriedenheit.
Und die Veränderung? Die passiert. Sie geschieht einfach so aus sich heraus. Weil sich immer alles ändert.
Sollte man sie nicht gestalten? Auch die Gestaltung geschieht aus sich heraus. Manchmal wegen unserer Konditionierungen (Ich koche lieber Spaghetti als Knödel – das ist so von Familie und Kultur konditioniert. Also koche ich eben Spaghetti, bis mir Knödel besser schmecken, dann koche ich einfach Knödel). Manchmal werden wir uns aber auch bewusst. Bewusstheit über das, wie es ist. Wie es um uns steht. Dann kommen auch wieder Impulse, aus der Freiheit. Man kann nicht vorher wissen, was das ist. Sie entstehen nicht aus der Abhängigkeit, aus dem Verlangen, dem Widerstand gegen das, was ist. Sie sind verantwortlich, und können gleichzeitig nicht kontrolliert werden.
Das Folgen dieser Impulse, das Sein ohne Widerstand, ohne Abhängigkeit von dem Verlangten, das ist das, was ich Zufriedenheit oder Glück nenne.
Bewusstheit hilft
Aus Bewusstheit entsteht Veränderung und verändernde Impulse. Dazu muss ich nichts anderes konditionieren.
Wenn ich krumm laufe, kann ein Physiotherapeut vielleicht versuchen, durch Übungen eine neue Haltung zu konditionieren. Ich könnte mir auch einfach bewusst werden, wie ich mich gerade halte und bewege. Wenn es dann nicht stimmig ist, werde ich es ändern.
Niemand muss mir sagen, dass ich meine Haltung verändern muss, wenn mir der Fuss eingeschlafen ist. Sobald ich mir dessen bewusst bin, geschieht die Veränderung aus einem Impuls heraus. Es ist sogar sehr schwierig, nichts zu tun, wenn ich mir der Situation, des Kribbelns z.B., bewusst bin. Ich verändere einfach mein Bein und meinen Fuss!
So kann auch Veränderung in der Psychotherapie geschehen. Manche wollen sich aber gar nichts bewusst machen, sie wollen einfach eine besser funktionierende Konditionierung. Nun, das ist auch machbar, führt aber gewisslich nicht zu Zufriedenheit und Glück. Oder doch? Das können wir gegebenenfalls gemeinsam herausfinden.